Mit dem kürzlich ergangenen Urteil des VGH Kassel wurde der Bebauungsplan
„Vorderheide II“ für unwirksam erklärt. Eine Revision zum
Bundesverwaltungsgericht wurde nicht zugelassen. Als letztes Rechtsmittel
bleibt die Nichtzulassungsbeschwerde.
Die Hofheimer SPD lehnt es entschieden ab, gegen die Entscheidung des VGH
Rechtsmittel einzulegen und die durch den Magistrat bereits eingelegte
Nichtzulassungsbeschwerde ist ihrer Meinung nach umgehend
zurückzunehmen. Auch das Mandat der beauftragten Kanzlei sei unverzüglich
zu kündigen, um den städtischen Haushalt nicht weiter zu belasten und dem
mittlerweile 11 Jahre dauernden B-Plan-Verfahren ein Ende zu setzen.
Die SPD konnte, gemeinsam mit Grünen, BfH und Linken, erreichen, dieses
umstrittene Thema öffentlich in der Stadtverordnetenversammlung zu
diskutieren und die Entscheidung über die Nichtzulassungsbeschwerde durch
die gewählten Mandatsträger des Stadtparlaments treffen zu lassen.
Die Ursprünge der Planungen des Baugebiets Vorderheide II lägen weit in der
Vergangenheit, weshalb man einen Blick zurückwerfen müsse, führte der
stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Aaron Kowacs im Stadtparlament
aus. Das Baugebiet „Vorderheide II“ sei nie ein Herzensprojekt der SPD
gewesen. Im Jahr 2011 habe sie einen Koalitionsvertrag geschlossen, der
natürlich immer auch Kompromisse enthalte. Die Zustimmung zur Bebauung
der Vorderheide II sei einer dieser Kompromisse gewesen. Es habe zwar
Argumente für eine Bebauung der Vorderheide II gegeben, z.B., dass keine
weiteren Verkehrswege zur Erschließung der Vorderheide II notwendig
gewesen wären. Doch bereits im entsprechenden Koalitionsvertrag von 2011
hatte die SPD, gemeinsam mit der CDU, festgeschrieben, dass Voraussetzung
für die Zustimmung zu dem Entwurf des Bebauungsplans ist, dass die
naturschutzrechtliche Genehmigung erteilt werde.
Nun hat das oberste Verwaltungsgericht Hessens festgestellt, dass diese
naturschutzrechtliche Genehmigung nicht vorliegt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat auf 123 Seiten ausgeführt, warum man den
städtischen Bebauungsplan für unwirksam hält. Zu den aufgeführten Gründen
zählt insbesondere, dass sich der Bebauungsplan in einem faktischen
Vogelschutzgebiet des Gartenrotschwanzes befinde. Die Brutpaardichte sei
sogar höher als in drei von fünf Vogelschutzgebieten, die als „Top-5-Gebiete“
zum Schutz des Gartenrotschwanzes bezeichnet werden. Alles in allem würden
alle aufgezeigten ornithologischen Kriterien für die Unterschutzstellung des
Gebiets sprechen.
Daneben wurde das Urteil auch anhand zahlreicher anderer Aspekte
begründet. Die Ausgleichsflächen seien nicht ausreichend geschützt, zu klein
und ein „Flickenteppich“. Darüber hinaus werden auch einzelne Methoden der
Bestandserfassung geschützter Tierarten kritisiert. Verschärfend komme hinzu,
dass die geplante Wohndichte zu gering sei, dh. die verbrauchte Fläche wird
nicht ausreichend ausgenutzt und man lasse den gesetzlich vorgeschriebenen
schonenden Umgang mit Grund und Boden vermissen. Statt 35 bis 50
Wohneinheiten je ha, wie es der Regionale Flächennutzungsplan vorgibt, wären
auf der Vorderheide nur 22 Wohneinheiten je ha entstanden. Zudem weist das
Gericht darauf hin, dass in Hofheim – im Gegensatz zu 49 anderen Städten und
Gemeinden in Hessen – keine Mietpreisbremse mehr gilt und man deshalb
keinen dringenden Wohnraumbedarf annehmen könne. Ein weiterer Beweis,
dass dieser Zustand schnellstmöglich behoben werden sollte und Hofheim
wieder eine Mietpreisbremse erhält, um sicherzustellen, dass die Mieten nicht
ungebremst weiter steigen können, so die Hofheimer SPD.
Das Gericht stellt zuletzt fest, dass es keine Gründe für die Zulassung der
Revision gäbe, da nicht von höchstrichterlicher Rechtsprechung abgewichen
werde und der Entscheidung keine, über den Einzelfall hinausgehende,
Bedeutung zukomme. Daraus folgt, dass als Rechtsmittel gegen das Urteil des
VGH nur eine Nichtzulassungsbeschwerde zur Verfügung steht. Eine
Nichtzulassungsbeschwerde richtet sich gegen die Nichtzulassung der Revision.
Um zu erreichen, dass der Bebauungsplan doch noch als rechtmäßig eingestuft
wird, müsste dementsprechend zunächst die Nichtzulassungsbeschwerde
Erfolg haben, sodass die Revision überhaupt möglich wäre. Im zweiten Schritt
müsste dann auch die Revision Erfolg haben. Mit anderen Worten: Selbst wenn
die Nichtzulassungsbeschwerde Erfolg hätte, müsste die Stadt in der Folge
zusätzlich noch Revision einlegen und es würden weitere Jahre mit
Gerichtsverhandlungen ungewissen Ausgangs drohen.
Die Anforderungen an eine Nichtzulassungsbeschwerde sind sehr hoch,
insbesondere deutlich höher als die Anforderungen an eine Revision.
Die hohen Hürden führen selbst bei den städtischen Anwälten zu der
Einschätzung, dass die Erfolgsaussichten „eher negativ“ sind. „Eher positiv“ zu
bewerten wären die Erfolgsaussichten insbesondere aufgrund der sehr weit
gehenden Aussagen zum faktischen Vogelschutzgebiet.
Dem Argument, dass die Aussagen zum faktischen Vogelschutzgebiet sehr weit
gingen und mit grundsätzlichen Risiken für die gesamte Planungspraxis
verbunden seien, kann entgegengehalten werden, dass der VGH den Bereich
der Vorderheide II als „Insel der Vielfalt und des Strukturenreichtums“ ansieht
und ihn deshalb aus anderen Flächen im Ballungsgebiet Rhein-Main-Gebiet
bewusst heraushebt.
Dementsprechend solle man das Urteil, wie es der VGH selbst auch tut, als
Einzelfallentscheidung ansehen, so die SPD. Eine generelle Übertragbarkeit auf
andere geplante Baugebiete, zum Beispiel Römerwiesen, scheide demnach aus.
Ganz im Gegenteil: Das Gericht erwähnte die Römerwiesen ausdrücklich als
alternative Baufläche. Auf Initiative der SPD wurde im Rahmenplan der
Römerwiesen festgeschrieben, dass mind. 1/3 der Wohneinheiten gefördert
und preisgedämpft sein sollen. Im Gegensatz zur Vorderheide II würde dort
tatsächlich bezahlbarer Wohnraum entstehen und die geforderte Wohndichte
würde eingehalten werden.
Der Magistrat baute seine Argumentation maßgeblich auf folgender Sichtweise
auf: Durch die Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde wolle man
insbesondere eigene Schadensersatzansprüche sichern und sich vor fremden
Schadensersatzansprüchen schützen. Trotz wiederholter Nachfragen konnten
die Anwälte das Bestehen und die Höhe dieser möglichen
Schadensersatzansprüche in der Ausschusssitzung nicht näher erläutern, da
man auch die Gegenseite vertrete. Aufgrund dieser Interessenkollision der
Anwälte hätten sie die vorgebrachte Bedrohung möglicher
Schadensersatzforderungen während der Sitzung nicht näher spezifizieren
können, weshalb von der SPD nicht erwartet werden könne, dass sie die
Zustimmung zu einer Nichtzulassungsbeschwerde darauf stützen.
Seit über einem Jahrzehnt beschäftigt das mögliche Baugebiet Vorderheide II
die städtischen Gremien und auch die Gerichte. In dieser Zeit hat die Stadt
Hofheim nach den Auskünften des Magistrats mind. 1,4 Mio. € in dieses
Bauprojekt investiert. Allein die Anwalts- und Gerichtskosten belaufen sich auf
rund 1,1 Mio. €, obwohl die Festsetzung der Gerichtskosten für das aktuelle
Verfahren sogar noch ausstehen. Alles in allem ist die Hofheimer SPD der
Auffassung, dass sich diese enorme Summe nicht durch die Einlegung von
Rechtsmitteln mit fraglichen Erfolgsaussichten weiter erhöhen darf.
Stattdessen sollte alles unternommen werden, um das entsprechende Gebiet
durch das Land Hessen zu einem tatsächlichen Vogelschutzgebiet erklären zu
lassen und so einen großen Beitrag zur Biodiversität zu leisten.